Und Abends in dem stillen Studienwinkel Trotz der Vorschrift des genialen Einsiedlers fand der willige Gast es doch nicht so leicht, die Harfe richtig zu stimmen. »Mich dünkt, heiliger Vater, dem Instrument fehlt eine Saite, und die übrigen sind falsch behandelt worden.« »Aha, merkst Du das?« versetzte der Eremit, »das zeigt, daß Du ein Meister in der Kunst bist. – Wein und Schmaus!« setzte er ernst hinzu, wobei er die Augen nach oben kehrte, »alles die Folge von Wein und Schmaus! Ich sagte es Allan vom Thal, dem Minstrel aus Norden, gleich, daß er die Harfe ruiniren würde, wenn er sie nach dem siebenten Humpen spielte, aber er ließ sich nicht zureden. – Freund, ich komme Dir hier eins auf das glückliche Gelingen!« Dabei ergriff er mit Feierlichkeit den Becher und schüttelte zugleich das Haupt über die Unmäßigkeit des Minstrels aus Norden. Inzwischen hatte der Ritter die Saiten in Ordnung gebracht und fragte nach einem kleinen Vorspiel seinen Wirth, ob er ein sirviente in der langue d'oc, d.h. ein südfranzösisches, oder ein lai (einen Laich) in der langue d'oui, ob er ein virelai oder eine Ballade in sächsischer Mundart hören wolle. »Eine Ballade, eine Ballade, ân treóvlîc seaxna lioth, ein echtes Sachsenlied! Zum Teufel mit den fränkischen ocs und ouis! Dûnriht seaxan ic eom, ich bin ein gerader, schlichter Sachse, Herr Ritter; ein schlichter Sachse war mein Schutzpatron, der heilige Dunstan, und haßte die ocs und ouis wie des Teufels Hufspäne – Dûnrihte seaxan lióth âne sculon beón sungen in thisum hâlgum hûse, nur schlichte Sachsenlieder sollen in dieser Zelle gesungen werden.« »So will ich,« sagte der Ritter, »eine Ballade versuchen, die von einem gleóman, einem echten sächsischen Sänger, gedichtet wurde, den ich im heiligen Lande kennen lernte.« Es zeigte sich sofort, daß, wenn der Ritter nicht ein vollendeter Meister in der Sangeskunst war, er doch seinen Geschmack unter den besten Lehrern veredelt hatte. Sein Lied lautete folgendermaßen: Des Kreuzfahrers Rückkehr. Nach mancher ritterlichen That »Heil sei Dir, Maid! Dein Rittersmann Heil sei der Maid – denn ihre Lieb Ihr Lächeln schaut – es hat gemacht, Heil sei der Maid! – ihr sei die Ehr! Während des Vortrags gebarte sich der Eremit ganz wie ein heutiger Kritiker ersten Ranges beim Anhören einer guten neuen Oper. Er lehnte sich mit halb geschlossenen Augen auf seinem Sitze zurück; dann schien er mit verschlungenen Daumen und gefalteten Händen in Aufmerksamkeit versunken, und bald darauf bewegte er wieder gleichmäßig seine ausgebreiteten Hände und schwang sie im Tact zur Musik. Als das Lied zu Ende war, erklärte der Eremit es für eine treffliche Leistung und schön vorgetragen. Die damaligen Kritiker, wenn sie auch selbst Künstler waren, kannten den Neid und die kleinliche Eifersucht noch nicht, und selbst mancher gefürchtete Criticus unserer Tage hätte von ihnen in diesem Punkte lernen können. »Und dennoch, dünkt mich, haben sich meine angelsächsischen Landsleute lange genug mit den Normannen gemein gemacht, um in den Ton ihrer melancholischen Liedlein zu verfallen. Was führte denn unsern biedern Rittersmann aus der Heimath hinweg? Oder was konnte er bei seiner Heimkehr denn anders erwarten, als seine Braut mit einem begünstigten Nebenbuhler verlobt oder gar verheirathet zu finden? Nichtsdestoweniger, Herr Ritter, bringe ich Euch diesen Ganzen und trinke ihn auf das Glück aller treuen Liebhaber! – Ich hoffe, Ihr seid da nicht mit inbegriffen,« fügte er hinzu, als er sah, daß der Ritter seinen Wein mit Wasser mischte. »Nun,« versetzte der Ritter, »sagtet Ihr mir nicht, dies Wasser käme aus dem Born Eures geheiligten Schutzpatrons Dunstan?« »Ei freilich! und manch hundert Heiden hat er damit getauft, aber ich hörte nie, daß er auch davon getrunken habe. Ein jeglich Ding sollte immer in der Welt seine eigene und bestimmte Verwendung finden. St. Dunstan kannte so gut wie einer die Vorrechte eines heiteren Klosterbruders.« Mit diesen Worten griff er nach der Harfe und unterhielt seinen Gast mit folgendem charakteristischen Liede, bei dem nur der Chorus, der den nach uralter Form gedichteten Refrain zu singen hat, hinzugedacht werden muß. Das ehrwürdige Barfüßerlein. Du findest doch stets nur das Barfüßerlein. Der Ritter sprengt fort für die Dame zum Strauß, Der König? – Ja prosit! man weiß ja recht gut, Das Mönchlein spazieret, und wo es zu schaun, Am Mittag erwartet ihn Jung und auch Alt, Am Abend gar warten Pasteten und Bier, Lang lebe Kapuze, Sandale und Strick, »Meiner Treu,« sagte der Ritter, »Du hast wacker und gar fröhlich gesungen, und Deinem Orden zu hohem Preis. Und, da Ihr doch auch vom Teufel redet, frommer Mann der Kirche, fürchtet Ihr nicht, er könnte Euch einen Besuch machen während Eures ungeistlichen Zeitvertreibs?« »Ich und ungeistlich!« antwortete der Eremit. »Pfui! über die Beschuldigung. – Dreimal pfui – ich besorge den Dienst meiner Kapelle treu und ehrlich. – Täglich zwei Messen – Morgens und Abends – Früh-, Mittag- und Abendgebet: aves, credos, pater noster.« »Ausgenommen an Mondscheinabenden, wenn die Jagdzeit angegangen ist,« sagte sein Gast kaltblütig. »Exceptis excipiendis« erwiderte der Eremit, »wie unser alter Abt mich's sagen gelehrt hat, wenn ein unverschämter Laie mich etwa fragen sollte, ob ich die Ordensregel pünktlich halte.« »Ganz richtig,« heiliger Vater; »aber der Teufel ist auf solche excepta erpicht; Du weißt ja, er geht umher wie ein brüllender Löwe und –« »Laß ihn brüllen, laß ihn brüllen, ein Streich von meinem Stricke wird ihn so laut brüllen machen, wie es kaum die Folter des heiligen Dunstan vermocht hätte. Ich habe mich nie vor Menschen gefürchtet, geschweige denn vor dem Teufel und seiner Großmutter. St. Dunstan, St. Dubric, St. Winibald, St. Winfrid, St. Swibert, St. Willich und St. Thomas von Kent nicht zu vergessen, und mein eignes geringes Verdienst dazu – ich trotze jedem Teufel, mag er mit kurzem oder langem Schwanz ankommen. – Aber, um Euch ein Geheimniß anzuvertrauen, ich spreche nie von solchen Dingen, außer nach der Frühmesse.« Er änderte plötzlich die Unterhaltung. Immer rascher und toller wurde ihre Lustigkeit, und mancher ausgelassne Gesang wechselte zwischen ihnen, – da, auf einmal wurde ihr Zechgelage durch ein lautes unheimliches Pochen an der Thür der Eremitage unterbrochen. Der Wirth und sein Gast fuhren auf. Der Ankömmling und unsere freundlichen Leser müssen eine Weile warten, bis geöffnet wird, indeß wir letztern mit den Schicksalen einer andern Gruppe von Charakteren unseres Dramas bekannt machen. |